Aortenklappenstenose: Ursachen, Pathophysiologie, Symptome, Schweregrade, Diagnostik und Behandlung

Aortenklappenstenose (Aortenstenose, kurz AS) ist eine morphologische Veränderung und Verengung der Öffnung der Aortenklappe, wodurch der Blutfluss aus dem linken Ventrikel behindert wird.

3D-Animation: Rheumatische Aortenklappenstenose
3D-Animation: Degenerative Aortenklappenstenose

Epidemiologie

Die Aortenstenose stellt die mit Abstand häufigste Form der Aortenstenose unter allen Herzklappenfehlern dar. Die Prävalenz der AS nimmt mit dem Alter deutlich zu: In der Altersgruppe der über 75-Jährigen kann die Prävalenz der AS bis zu 12–13 % betragen, und das kritische Stadium der Aortenstenose ist bei 3-4 % der älteren Patienten zu beobachten.

Männer sind häufiger betroffen.

In Ländern mit hohen Einkommensraten und einem entwickelten Gesundheitssystem wird die Krankheit aufgrund der besseren medizinischen Versorgung und der Zugänglichkeit von Diagnoseverfahren häufiger diagnostiziert. In den Entwicklungsländern liegen nur wenige Daten über die Prävalenz der AS vor, was auf die unzureichende Diagnose und die kürzere Lebenserwartung der Bevölkerung zurückzuführen sein könnte.

In der Vergangenheit war die Hauptursache der Aortenstenose das rheumatische Fieber, das zu einer Verformung und Verschmelzung der Klappen führte. Mit der Entwicklung der Medizin und dem Rückgang der rheumatischen Erkrankungen in den Industrieländern hat sich die Struktur der ätiologischen Faktoren verändert. Die Hauptursache der Aortenstenose sind derzeit altersbedingte degenerative Veränderungen der Klappe, wie Verkalkung und Fibrose der Klappen. Darüber hinaus hat die Rolle der Atherosklerose bei der Entstehung der Krankheit zugenommen.

Der Trend zur Zunahme der Zahl der AS-Patienten in der modernen Welt ist in erster Linie auf die Alterung der Bevölkerung, den Rückgang der Sterblichkeit aufgrund anderer Krankheiten sowie auf verbesserte Diagnosemethoden und deren Verfügbarkeit zurückzuführen.

Rheumatische Aortenklappenstenose
Rheumatisch Aortenklappenstenose: 3D-Modell
Degenerative Aortenklappenstenose
Degenerative Aortenklappenstenose: 3D-Modell

Ätiologie

  • Degenerative Veränderungen: altersbedingte Kalzifikation der Aortenklappentaschen, die dicker und weniger beweglich werden.
  • Angeborene Fehler: bikuspidale Aortenklappe, die für eine frühere Verkalkung und dadurch auch für AS anfälliger sind.
  • Rheumatisches Fieber: es verursacht eine Verformung und Verschmelzung der Klappen.

Seltener kann die AS mit Erkrankungen wie chronische Niereninsuffizienz, Karzinoidsyndrom, Paget-Krankheit und Lupus erythematodes einhergehen.

3D-Animation: Entwicklung der Aortenklappenstenose

Pathophysiologie

Die Klappenverengung erhöht die Nachlast, was zu einem erhöhten systolischen Druck in der linken Herzkammer führt, was wiederum eine konzentrische Hypertrophie zur Folge hat, d. h. eine Wandverdickung ohne signifikante Vergrößerung des Hohlraums.

Die Hypertrophie bewirkt eine verminderte Compliance (Dehnbarkeit) des linken Ventrikels, was seine Fähigkeit zur Entspannung in der Diastole beeinträchtigt. Der Anstieg des diastolischen Drucks im linken Ventrikel wird auf den linken Vorhof übertragen und führt zu dessen Hypertrophie und Dilatation. Diese Adaptationsmechanismen sind allerdings nicht in der Lage, den zunehmenden Venendruck in den Lungengefäßen vollständig auszugleichen, was zu einem Blutstau im kleinen Kreislauf führt, der die Anzeichen einer Herzinsuffizienz hervorrufen kann.

In den frühen Stadien der AS wird der Auswurf durch den Frank-Starling-Mechanismus aufrecht erhalten, d.h. die Kraft der Herzmuskelkontraktion nimmt mit zunehmender Dehnung des Herzmuskels zu. Bei anhaltender Drucküberlastung und fortschreitender Hypertrophie erschöpft sich jedoch die myokardiale Reservekapazität, was zu einer verminderten Kontraktionsfähigkeit und einer systolischen Dysfunktion führt.

Die linksventrikuläre Wandhypertrophie bewirkt einen erhöhten myokardialen Sauerstoffbedarf, während der erhöhte diastolische Druck die Blutzufuhr zu den Koronararterien einschränkt und damit deren Perfusionseffizienz verringert, was selbst bei fehlender koronarer Atherosklerose eine Myokardischämie nach sich ziehen kann.

Ein dekompensierter Fehler führt zu einer Dilatation des linken Ventrikelhohlraums und des linken atrioventrikulären Rings mit Entwicklung einer Mitralinsuffizienz.

Symptome

Der Fehler kann über lange Zeiträume hinweg symptomlos bleiben. Mit der Zeit führt die Kombination der oben genannten Veränderungen zu den charakteristischen Symptomen der Aortenstenose: Dyspnoe, Angina pectoris und Synkopen.

  • Die Dyspnoe wird durch einen Blutstau in den Lungenvenen (Stauungslunge) verursacht.
  • Angina pectoris entsteht durch eine Ischämie des hypertrophierten Herzmuskels.
  • Synkopen treten wegen eines verminderten Herzzeitvolumens und eines unzureichenden zerebralen Blutflusses auf.

Diese Symptome deuten auf eine ungünstige Prognose und die Notwendigkeit einer chirurgischen Behandlung hin. Herzasthma, Schwellungen der unteren Extremitäten und eine vergrößerte Leber zeigen den Übergang der Krankheit in das Stadium der Dekompensation an und erfordern ein sofortiges medizinisches Eingreifen.

Diagnostik

Die Echokardiographie (Herzultraschall) ist die wichtigste Methode zur Diagnose der AS. Mit diesem Verfahren lassen sich die Anatomie der Aortenklappe, ihr Verkalkungsgrad, die Öffnungsfläche, der Druckgradient sowie die Funktion und die Abmessungen des linken Ventrikels (LV) beurteilen. Zur Erstuntersuchung empfiehlt sich die transthorakale Echokardiographie (TTE). In Fällen, in denen die TTE keine ausreichenden Informationen liefert, ist die transösophageale Echokardiographie (TEE) angezeigt.

Klassifikation der Aortenstenose nach echokardiografischen Kriterien

ParameterLeichtgradige ASMittelgradige ASHochgradige ASKritische AS
Spitzengeschwindigkeit
(m/s)
<3.03.0–3.9≥4.0≥5.0
Mittlerer Gradient
(mm Hg)
<2020–39≥40≥60
Klappenöffnungsfläche (cm²)>1.51.0–1.5≤1.0≤0.6
Index der Klappenöffnungsfläche
(cm²/cm²)
>0.850.6–0.85≤0.6≤0.4

Folgende Parameter dienen zur Bewertung des Schweregrades der AS:

  • Spitzengeschwindigkeit durch die Aortenklappe (Vmax): ein Wert über ≥ 4,0 m/s zeugt von einer schwergradigen AS.
  • Mittlerer Druckgradient durch die Klappe (ΔPm): ein Wert über ≥ 40 mmHg zeugt von einer schwergradigen AS.
  • Klappenöffnungsfläche (KÖF): ein Wert ≤ 1,0 cm² bzw. ≤ 0,6 cm²/m² der Körperfläche zeugen von einer schwergradigen AS.

Bei niedrigem Herzzeitvolumen und verminderter LV-Ejektionsfraktion (< 50 %) empfiehlt sich eine Stress-Echokardiographie mit Dobutamin, um eine echte schwergradige AS von einer pseudo-schwergradigen AS zu unterscheiden.

MRT/CT: Kann als zusätzliche Untersuchungsmethode verwendet werden, einschl. zur Auswahl des operativen Zugangswegs.

CT-Angiographie ist der Goldstandard der bildgebenden Diagnostik vor Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Mit diesem Verfahren lassen sich die Anatomie der Aortenwurzel und der aufsteigenden Aorta, das Ausmaß und die Prävalenz von Klappen- und Gefäßverkalkungen, das Risiko einer Koronararterienobstruktion und die Optionen für den Gefäßzugang beurteilen.

Mit der MRT kann die Myokardfibrose, die auf eine Dekompensation der Aortenklappenstenose hinweist, nachgewiesen und quantifiziert werden.

Die Bestimmung der Spiegel des B-natriuretischen Peptids im Gehirn (BNP) oder seines Vorläufers (NT-proBNP) kann für die Risikostratifizierung bei Patienten mit AS von Nutzen sein. Erhöhte Werte dieser kardialen Marker weisen auf eine schlechtere Prognose hin und können ein zusätzliches Argument für einen Eingriff bei asymptomatischen Patienten sein.

Therapie der Aortenstenose

Durch die Änderung von Risikofaktoren kann das Fortschreiten der AS verlangsamt und die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen verringert werden: Kontrolle des Blutdrucks, Aufrechterhaltung normaler Blutfettwerte durch Ernährung und hypolipidämische Medikamente, vollständiger Verzicht auf das Rauchen, strenge Kontrolle des Blutzuckerspiegels, Aufrechterhaltung eines gesunden Gewichts durch ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivitäten.

Medikamentöse Therapie

Derzeit gibt es keine Medikamente, die das Fortschreiten der AS verlangsamen können. Eine medikamentöse Therapie kann jedoch bei der Bewältigung der Symptome und der Begleiterkrankungen hilfreich sein: Diuretika (zur Verringerung der Lungenstauung bei Herzinsuffizienz), Betablocker (zur Kontrolle von Herzfrequenz und Blutdruck, insbesondere bei gleichzeitiger KHK), ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (= AT1-Blocker) (bei Herzinsuffizienz oder arterieller Hypertonie). Bei der Verwendung dieser Medikamente ist Vorsicht geboten, da eine übermäßige Blutdrucksenkung die Organdurchblutung bei Patienten mit einer schwergradigen AS verschlechtern kann.
Ein Aortenklappenersatz ist angezeigt bei:

Ein Aortenklappenersatz ist angezeigt bei:

  • Symptomatischer schwergradiger Aortenstenose.
  • Asymptomatischer schwergradiger Aortenstenose bei systolischer LV-Dysfunktion (EF < 50%); bei positivem Belastungstest.
  • Sehr schwerer AS (mittlerer Gradient ≥ 60 mmHg oder Spitzengeschwindigkeit > 5,0 m/s).
  • Einer raschen Zustandsverschlechterung des Patienten oder einem plötzlichen Anstieg der BNP-Werte im Blut.

Die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) ist eine minimal-invasive Technik für den Aortenklappenersatz. Der transfemorale arterielle Zugang wird am häufigsten verwendet. In Fällen, in denen die Femoralarterien zu eng, gewunden oder atherosklerotisch sind, können jedoch alternative Wege der Kathetereinführung verwendet werden: transapikaler Zugang durch die Spitze des linken Ventrikels, transaortaler Zugang durch die aufsteigende Aorta, transklavikulärer Zugang durch die Arteria subclavia. Dabei kommen zwei Arten von Klappen zum Einsatz: selbstexpandierende Klappen und Klappen, die mittels Ballon dilatatiert werden.

TAVI ist bei Patienten im Alter von ≥ 75 Jahren und/oder bei hohem chirurgischem Risiko (EuroSCORE II > 8 %) und/oder wenn eine offene Operation aufgrund von Komorbiditäten nicht möglich ist, zu bevorzugen.

Kontraindikationen für TAVI:

  • Unmöglichkeit, die Aortenklappe durch die Gefäße zu erreichen (bei schwerer Atherosklerose oder geringem Arteriendurchmesser).
  • Ungünstige Klappen- oder Aortenanatomie, die den Eingriff technisch nicht durchführbar macht.
  • Lebenserwartung von weniger als 1 Jahr oder keine Verbesserung der Lebensqualität nach dem Eingriff.
3D-Animation: Transkatheter-Aortenklappenimplantation

Chirurgischer Aortenklappenersatz (Surgical Aortic Valve Replacement, SAVR)

Der offene chirurgische Aortenklappenersatz ist für viele Patienten nach wie vor die Standardbehandlung. Es stehen mechanische und biologische Herzklappen zur Verfügung. Der Eingriff erfolgt mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine. Je nach den anatomischen Gegebenheiten kann sie über eine totale bzw. partielle Sternotomie oder eine rechtsseitige anteriore Minithorakotomie durchgeführt werden.

Kontraindikationen für den chirurgischen Aortenklappenersatz: hohes chirurgisches Risiko oder das Vorhandensein von Komorbiditäten, die eine Operation gefährlich machen.

FAQ

1. Warum kommt es zu einer Aortenklappenstenose?

Die häufigsten Ursachen sind:
Altersbedingte degenerative Veränderungen.

Angeborene bikuspidale Aortenklappe.

Konsequenzen des rheumatischen Fiebers.

Seltener kann die Aortenstenose mit Erkrankungen wie chronische Niereninsuffizienz, Karzinoidsyndrom, Paget-Krankheit und Lupus erythematodes einhergehen.

2. Welche Auskultationsbefunde sind typisch für eine Aortenklappenstenose?

Die Auskultation ergibt:
Grobes Systolikum (am stärksten über dem 2. ICR rechts parasternal, mit einer Fortleitung in die Halsgefäße).
Der 2. Herzton ist meist leise (durch verminderte Klappenbeweglichkeit).
Paradoxale Spaltung des 2. Herztons (bei schwergradiger AS).

3. Wie verändert sich die Hämodynamik bei Aortenklappenstenose?

• Aortenklappenverengung → Erhöhter LV-Druck → Konzentrische LV-Hypertrophie → Verminderte LV-Compliance → Erhöhter Druck im linken Vorhof → Stauungslunge.
• Erhöhter myokardialer Sauerstoffbedarf + verminderte Koronarperfusion → Myokardischämie.
• Bei Fortschreiten → Systolische Dysfunktion → Erweiterung des linken Ventrikels und Mitralklappeninsuffizienz → Herzinsuffizienz.

4. Was sind die typischen Beschwerden von Patienten mit Aortenklappenstenose?

Die typischen Beschwerden sind:
„Symptomtrias“:
1. Dyspnoe (durch Staaungslunge).
2. Angina pectoris (durch die Ischämie des hypertrophierten Herzmuskels).
3. Synkopen (bei körperlicher Belastung).
Müdigkeit, Schwäche, Schwindel durch vermindertes Herzzeitvolumen.

5. Was ist der Unterschied zwischen TAVI und einem konventionellen chirurgischen Eingriff?

Die TAVI erfordert keine chirurgische Eröffnung des Thorax, hat aber begrenzte Indikationen. Offener Aortenklappenersatz ist der Standard bei niedrigem Operationsrisiko.

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